Wir sind 24 und 55, mein Mann ist somit gute 31 Jahre älter als ich. Wir sind
seit ungefähr 2 1/2 Jahren zusammen. Anfang diesen Jahres haben wir auch geheiratet,
ganz heimlich, still und leise.
Tja, wo fang ich am besten an... Ich denke, die Vergangenheit spielt doch eine
wichtige Rolle. Meine Eltern verstarben beide ziemlich früh, meine Geschwister waren
alle älter und führten bereits ihr eigenes Leben. So verbrachte ich in meiner
Teenager-Zeit doch sehr viel Zeit allein. Mit 19 hatte ich genug und begann nochmals
eine Ausbildung, 300 km von meinem Heimatort entfernt, vor allem, um ein neues Leben
anzufangen.
Nachdem es finanziell knapp wurde, nahm ich Ende 2000 neben der Schule einen Job
an. Den Chef dort fand ich sehr nett, wir waren uns von Anfang an sympathisch.
Trotzdem hätte ich nie daran gedacht, eine Beziehung mit ihm einzugehen.
Stattdessen hatte ich mehrere Beziehungen zu in etwa gleichaltrigen Jungs, die
allerdings immer nach maximal 3-4 Monaten scheiterten. Sie konnten mir nicht die Nähe
und die Sicherheit geben, die ich gesucht hätte und auch ansonsten konnten wir nicht
viel miteinander anfangen. Für meine Probleme, z. B. Erbstreitigkeiten unter den
Geschwistern, die mich doch sehr belasteten, konnten sie kaum Verständnis aufbringen.
Und dann fragte mich mein damaliger Chef (wir kannten uns schon fast 1 Jahr), ob
ich mit ihm essen gehen wollte. Einerseits freute ich mich riesig, andrerseits war
ich doch skeptisch. Ca. ein halbes Jahr später gingen wir doch. Und nachdem es so
nett war, auch ein weiteres Mal. Und schließlich lud er mich zu sich nach Hause ein
und kochte mir mein Lieblingsessen! Ich hab mich gleich sehr wohl gefühlt, es war
urgemütlich bei ihm. Es stellte sich heraus, dass er schon lange von seiner Frau
getrennt lebte.
Ich genoss es, mit jemandem reden zu können, der wirklich Lebenserfahrung hatte
und mich verstanden zu fühlen. Auch er fühlte sich einsam, er hatte sich deshalb
sogar einen kleinen Hund gekauft, den er auch in der Arbeit dabei hatte! Es gefiel
mir, wie lieb er mit seinem Hund umging!
Obwohl er mich immer mehr anzog wie ein Magnet und wir von da an die meiste
Freizeit gemeinsam bei ihm verbrachten, haben wir uns einander sehr langsam und
sanft genähert. Ich hatte noch nie jemanden so einfühlsam, rücksichtsvoll und
zärtlich erlebt. Er stellte nicht sein eigenes Wohl in den Vordergrund, sondern
schaute immer zuerst auf mich.
Trotz allem hatten wir anfangs beide Bedenken aufgrund des großen
Altersunterschiedes, deshalb hielten wir unsere Beziehung auch relativ lange geheim.
Das war eine ziemlich aufregende Zeit! Natürlich fiel es den anderen auf, dass ich
in meiner Wohnung nie mehr ans Telefon ging..! Ich hatte auch Angst vor den
Reaktionen der Freunde und Familie.
Aber schließlich kamen wir zu dem Schluss, dass es nur uns beide etwas angeht und
warum sollten wir auf die langersehnte Liebe verzichten, wenn wir sie bekommen
können?
So nach und nach erzählten wir es allen. Manche reagierten verständnisvoller, als
wir es erwartet hätten, andere äußerten offen ihre Bedenken (ob das gut geht etc.).
Die heftigste Reaktion war die meines Schwagers, der einige Zeit gar nicht mehr mit
mir reden wollte. Einige Freundschaften gingen auch auseinander.
Mittlerweile wird unsere Beziehung von unseren Familien akzeptiert, auch mit
seinen Kindern, von denen einer um Jahre älter ist als ich, gibt es keine Probleme.
In der Öffentlichkeit ist es schon öfter vorgekommen, dass er für meinen Vater
gehalten wurde. Manchmal gibt es auch spöttische Blicke oder Bemerkungen.
Für uns selbst ist der Altersunterschied nicht von großer Bedeutung. Natürlich
macht es sich in einigen Dingen bemerkbar, er mag z. B. meine Musik nicht, manchmal
hab ich auch Angst, ihn zu verlieren. Aber wie lange man zusammen sein darf, kann man
nie voraussehen. Auch junge Menschen sterben oft unerwartet an Krankheiten oder bei
Unfällen! Umso mehr lernt man das Hier und Jetzt zu genießen!
Unser Zusammenleben verläuft im Großen und Ganzen sehr harmonisch und wir sind
nach wie vor glücklich miteinander: Liebe hat nichts mit dem Alter zu tun!
B., 2004-09-22